„Ein Beispiel zupackender Bürgerverantwortung“

Jörg-Peter Schlieder, ehemaliger erster Geschäftsführer der Jugendbehindertenhilfe

Jörg-Peter Schlieder
Jörg-Peter Schlieder

Siegburg. Sicherlich wird der Name der Jugendbehindertenhilfe Siegburg Rhein-Sieg e.V. immer in dem gleichen Atemzug mit dem Gründer Hans Hüngsberg genannt. Doch viele erfolgreiche Jahre verdankt die JBH ihrem unermüdlichen Geschäftsführer Jörg-Peter Schieder, dessen bedingungsloser Einsatz und seine bescheidene Umgangsform nicht nur den Verein, sondern auch die Entwicklungen in den Kindertagestätten Kinderburg „Veronika Keller“ und „Die kleinen Strolche“ entscheidend mitgeprägt haben. Im März 2018 trat Jörg-Peter Schlieder von seinem ehrenamtlichen Amt, das mit einem Vollzeit-Job vergleichbar ist, in die zweite Reihe der Vorstandsarbeit zurück.

Der erste Kontakt mit ihm kam 1994 zustande, als Hans Hüngsberg mitten im Bebauungsplan für die Kinderburg steckte. Ein Gelände in Siegburg war gefunden und musste gerodet werden. Wer soll das denn machen? Hans Hüngsberg fragte bei der Bundeswehr nach, und kam zum ersten Mal mit Oberstleutnant Jörg-Peter Schlieder, dem damaligen Kasernenkommandanten Köln-Porz-Wahnheide, in Verbindung. Die Anfrage nach schwerem Baugerät musste dieser jedoch ablehnen. Es war nicht das letzte Gespräch zwischen beiden. 1995 entstand bei Hans Hüngsberg die Idee, etwas Sportliches für Jugendliche mit und ohne Behinderung zu machen. Nach einem Empfang, bei dem auch der spätere Oberst Schlieder anwesend war, sprach Hans Hüngsberg ihn mit der Frage an, ob es möglich ist, in der Kasernenanlage integrative Jugendspiele durchzuführen, also eine Sportveranstaltung von behinderten mit nicht behinderten Kindern. Aufgrund der bevorstehenden Versetzung konnte Jörg-Peter Schlieder das nicht mehr entscheiden, versprach aber, seinem Amtsnachfolger diese Absicht „an das Herz zu legen“. Darüber hinaus bot er an, nach seiner Zurruhesetzung bei Bedarf zur Verfügung zu stehen. Und so kam es auch.

1997 fand die erste Veranstaltung mit breiter Unterstützung der Bundeswehr in der Kaserne statt. Aufgrund von verschärften Sicherheitsauflagen nach den fürchterlichen Attentaten in New York im September 2001 konnten die Spiele nicht mehr in der Kaserne durchgeführt werden. Von 2002 bis 2009 wurden die integrativen Jugendspiele nun in Siegburg unter Beteiligung von Kindern aus Siegburger Schulen durchgeführt - im Oktopus-Freizeitbad und im Walter-Mundorf-Stadion.

2003 ging Jörg-Peter Schlieder in den Ruhestand. Er kam seinem Versprechen nach, bei Bedarf zu unterstützen. Und der Bedarf war gegeben. Er bildete fortan mit Hauptmann Axel Sieber das „Organisationsteam Jugendspiele“. Er war somit in Planung, Vorbereitung und Durchführung der Jugendspiele fest eingebunden. Im Laufe der Jahre stellte sich heraus, dass die Schülerzahlen immer geringer wurden, bei gleichhohem Aufwand. Als dann bei den Siegburger Schulen mehrheitlich kein Interesse mehr zu erkennen war, endeten die integrativen Jugendspiele mit der letzten Veranstaltung 2009.

2005 holte Hans Hüngsberg den engagierten „Organisator“ als Beisitzer in den Vorstand. Vier Jahre später wurde Jörg-Peter Schlieder zum ersten Geschäftsführer gewählt. Seine akribische Vorgehensweise und soziale Kompetenz haben die JBH seitdem maßgeblich geprägt. Nicht nur die Jugendspiele oder die Weihnachtsfeier für behinderte und nichtbehinderte Kinder wurden unter seiner Federführung großartige Ereignisse, sondern sein Verdienst lag besonders in der Neugestaltung von internen Abläufen, die sich auch aus geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen ergaben.

2006 wurden durch den Vorstand der JBH Vorgaben für die Einführung eines Qualitätsmanagements in der Kinderburg „Veronika Keller“ festgelegt. In den Folgejahren wurde die Implementierung durch das „Team Petra Opschondek, Leitung der Kinderburg/ Jörg-Peter Schlieder“ konsequent vorangetrieben. Jörg-Peter Schlieder war somit maßgeblich beim Aufbau des Qualitätsmanagements DIN EN ISO 9001 und des Bildungsqualitäts-managementsystems (BQM), bei der Umstellung dieser Systeme in die aktuelle Version und bei der praktischen Anwendung in den Alltagsbetrieb der Kinderburg „Veronika Keller“ und später bei den „kleinen Strolchen“ beteiligt. Das „Team Petra Opschondek/Jörg-Peter Schlieder“ dokumentierte alle pädagogischen und therapeutischen Abläufe, legte die Arbeitsprozesse fest, erstellte Prozessbeschreibungen und bestimmte die Betriebs- und Qualitätsziele. Eine umfangreiche und systematische Arbeit. Dabei wurde großer Wert darauf gelegt, die Mitarbeiter nicht nur „mitzunehmen“, sondern sie zu beteiligen, ihre Kenntnisse und Fähigkeiten sinnvoll einzubringen und dabei ein „Wir-Gefühl“ zu schaffen. Auch dank der Leistungsfähigkeit von Jörg-Peter Schlieder, seiner Führungserfahrung sowie seines offenen, vertrauenserweckenden und kompetenten Vorgehens wurde eine positive und homogene Arbeitsatmosphäre als Grundlage für den angestrebten hohen Qualitätsnachweis geschaffen, der insgesamt den Kindern, Eltern und Mitarbeitern zugute kam. QM wird in den beiden Einrichtungen der JBH im Alltagsbetrieb „er- und gelebt“. Bereits im Jahre 2008 wurde die Kinderburg durch den Lead-Auditor des unterstützenden und anerkannten externen Zertifizierers „for you cert“ als „Einrichtung mit Quality Management unter den zehn Besten in der Bundesrepublik zertifiziert“. Letztmalig im Auditbericht 2017 wurde die Leistung mit den Worten herausgestellt „Die QM-, pädagogischen und unterstützenden Tätigkeiten sind auf einem höchsten Niveau vorgefunden worden. Die Kinderburg „Veronika Keller“ ist durch ihre integrative und hochwertige Arbeit eine hochangesehene Einrichtung, die durch alle Bereiche hinweg als Benchmark für andere gelten muss. Die Integration inkl. Kompetenztransfer ist auf die „kleinen Strolche“ übergegangen“.

2008 übernahm die JBH die Kindertagesstätte „Die kleinen Strolche“ auf dem Stallberg von der katholischen Kirchengemeinde Siegburg. Jörg-Peter Schlieder bereitete als Beauftragter des Vorstandes diese Übergabe vor, so dass der Trägerwechsel zum 01.08.2008 in Form einer Betriebserlaubnis reibungslos vollzogen werden konnte. Eine große Erleichterung für alle Mitarbeiterinnen, Eltern und Kinder der „kleinen Strolche“.

Dass Jörg-Peter Schlieder nebenbei seit 2009 die jährlichen inklusiven Tagesausflüge ins Phantasialand für behinderte und nichtbehinderte Kinder übernahm, verblasst da ein wenig.

Ein weiterer leuchtender Stern ist das seit 2009 stattfindende Entenrennen. Nach Aufgabe der Jugendspiele wurde aus dieser Aktion dank der Leitung von Jörg-Peter Schlieder mittlerweile eine feste Größe, die den Charakter eines kleinen Familienfestes besitzt. Viele Förderer stellen in jedem Jahr Preise zur Verfügung und unterstützen dadurch diese Veranstaltung im hohen Maße. Der Erlös kommt ausschließlich den Kindern in den beiden Kindertagesstätten der JBH zugute.

Im Zuge des Rechtsanspruches auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr waren in den Jahren 2009 bis 2013 - beginnend mit dem Spatenstich bei den „kleinen Strolchen“ - organisatorische und infrastrukturelle Maßnahmen in beiden Einrichtungen auch für die Aufnahme dieser Kinder erforderlich. Das „Team Hans Hüngsberg/Jörg-Peter Schlieder“ leitete alle Arbeitsschritte, wie Neu-, Erweiterungs-, und Umbaumaßnahmen, Sanierungen sowie die Neugestaltung der Außenbereiche, um die wesentlichen Aufgaben zu erwähnen. Jörg-Peter Schlieder hatte somit eine erhebliche Mitverantwortung für den Aus- und Umbau beider Einrichtungen auf insgesamt neun Gruppen für 170 Kinder und 50 Mitarbeitern. Auch hierbei überzeugte er durch strukturiertes Vorgehen, Flexibilität und psychische Stabilität.

Das bereits bewährte „Team Petra Opschondek/Jörg-Peter Schlieder“ überarbeitete 2016/2017 unter umfassender Mitwirkung aller pädagogischen und therapeutischen Mitarbeiter die Trägerkonzeption der JBH - eine unverzichtbare Maßnahme zur Qualitätsentwicklung und -sicherung. Diese Konzeption berücksichtigt das Bildungsverständnis der JBH, das fachliche, pädagogische und therapeutische Grundverständnis. Sie ist somit Leitbild und „Trägerkultur“.

Sorgen machten und machen der JBH die Umstellung der Fördersystematik des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) mit Stichtag zum 01.08.2016 mit der Folge, dass unter anderem die Finanzierung aller Therapeuten in den Kindertagesstätten durch den LVR weggefallen ist. Die Weiterbeschäftigung der bei der JBH angestellten Therapeuten und damit das äußerst bewährte Therapiekonzept, die interdisziplinäre Arbeit und die Betreuungsqualität, für die die JBH steht, standen auf dem Spiel. Jörg-Peter Schlieder entwickelte ein Therapiekonzept, um die Finanzierung und die Beschäftigung der Therapeuten zu sichern sowie den inklusiven, interdisziplinären Ansatz für alle Kinder unverändert zu gewährleisten. Das dieses Ergebnis überhaupt erreicht wurde, ist der Kompetenz, Überzeugungsarbeit und dem hohen Einsatz von Jörg-Peter Schlieder geschuldet.

Bereits vor drei Jahren stellte sich Jörg-Peter Schlieder aus persönlichen Gründen nicht mehr als erster Geschäftsführer zur Verfügung. Seine Nachfolgerin musste jedoch aus beruflichen und privaten Gründen nach nur wenigen Monaten das Amt zur Verfügung stellen, eine nicht vorhersehbare Entwicklung. Ohne zu Zögern übernahm Jörg-Peter Schlieder in dieser misslichen Lage erneut die Funktion des ersten Geschäftsführers. Der Wunsch, aus persönlichen Gründen in das zweite Glied zu treten, blieb unverändert. In der letzten Mitgliederversammlung war es dann soweit. Der Nachfolger mit Jürgen Peter war schon Monate vorher gefunden. Vorstandsmitglieder, Einrichtungsleitungen und -mitarbeiter, wie auch Vereinsmitglieder dankten Jörg-Peter Schlieder für sein außergewöhnliches Engagement. Hans Hüngsberg brachte es in seiner kompakten Dankesrede auf den Punkt: „Als erster Geschäftsführer hast Du ein hohes Maß an Arbeitsbelastung und Verantwortung übernommen und getragen. Dem bist Du in jeder Situation mehr als gerecht geworden. Du hast viele Projekte unterstützt, Projekte initiiert und verantwortlich realisiert. Alle Institutionen der JBH und natürlich der Vorstand besonders schätzen Deine kompetente, gradlinige Arbeitsweise. Deine Erfolge gründen sich auf soliden Fachkenntnissen, Sensibilität und ein hohes Maß an Verantwortungsbewusstsein. Dies ist gepaart mit persönlicher Bescheidenheit und großzügiger Toleranz. Für mich persönlich bist Du ein Beispiel zupackender Bürgerverantwortung. Lieber Jörg, Du warst und bist mir ein guter und verlässlicher Partner.“

 

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